Rechtsanwalt Thomas Hollweck wehrt eine unberechtigte Forderung der Deutschen Telekom über Servicenummern (0900er Nummern) erfolgreich vor dem Amtsgericht Berlin-Mitte ab.
Die Telekom forderte von meinem Mandanten einen Betrag von 987 Euro für die angebliche Nutzung von teuren 0900er-Servicenummern. Mein Mandant hatte jedoch eine 0900er-Sperre an seinem Festnetzanschluss eingerichtet. Trotzdem behauptete die Telekom, dass hier eine Pflicht zur Zahlung bestehe.
Eine vertragliche Grundlage konnte die Deutsche Telekom nicht benennen, sie legte dem Gericht lediglich Rechnungen vor. Letztendlich überzeugte ich das Gericht, dass die Rechnungen der Telekom vollständig unberechtigt sind. Mein Mandant gewann und muss nun nichts bezahlen, die Telekom dagegen hat die gesamten Prozesskosten zu tragen.
Was war geschehen?
Völlig verzweifelt erschien mein Mandant bei mir zur Beratung. Er legte mir eine gegen ihn gerichtete Klage der Telekom vor und bat um Hilfe. Die Telekom forderte von ihm die Zahlung von 987,04 EUR für die angebliche Nutzung von teuren 0900er-Servicerufnummern. Die Rechnungen sollten laut Telekom dadurch entstanden sein, dass mein Mandant, der zuhause einen Alice-DSL/Festnetz-Anschluss (ein heutiger O2/Telefonica-Anschluss) besitzt, kostenpflichtige 0900er-Nummern der Telekom angewählt hatte.
Er versicherte mir aber ausdrücklich, dass er diese Telekom-Leistungen nie in Anspruch genommen hatte. Das war rein technisch überhaupt nicht möglich: Er hat bei seinem Alice/O2-Anschluss eine 0900-er Rufnummernsperre. Diese Sperre besteht seit Beginn des Alice/O2-Vertrages, und wurde von ihm nie abgeändert. Das bedeutet, dass er in technischer Hinsicht gar nicht in der Lage gewesen sein konnte, die teuren 0900er-Servicenummern der Telekom in Anspruch zu nehmen.
Dennoch stellte ihm die Telekom die Rechnungen aus. Da mein Mandant aus verständlichen Gründen die Zahlung einer solchen Forderung verweigerte, ging die Telekom, vertreten durch die Kanzlei Seiler & Kollegen aus Heidelberg, vor Gericht. Sie ignorierte die Argumente meines Mandanten und erhob konsequent Klage vor dem Amtsgericht Mitte in Berlin auf Zahlung von 987,04 EUR.
Einen Beweis für die tatsächliche Nutzung der 0900er-Nummern konnte die Telekom dem Gericht allerdings nicht vorlegen. Die Telekom behauptete lediglich, dass mein Mandant die Rufnummern genutzt habe. Als Beweis legte sie die Abrechnungen vor. Diese Rechnungen seien laut Telekom der Beweis dafür, dass es eine Nutzung gab.
Ich hielt dagegen und argumentierte vor Gericht, dass alleine eine Rechnung keinen Vertrag beweisen könne. Ich forderte die Telekom auf, einen konkreten Vertragsnachweis zu erbringen. Denn jede Geldforderung bedarf immer einer vertraglichen Grundlage. Selbst die Telekom darf dann keine Bezahlung fordern, wenn kein Vertrag existiert. Zudem bat ich die Klägerseite um einen Nachweis, wann genau welche Servicerufnummern genutzt wurden, damit mein Mandant eine Möglichkeit zur Überprüfung habe. Bislang lag nicht einmal ein Einzelverbindungsnachweis vor. Der angebliche Telekom-Kunde sollte eine Zahlung leisten, ohne jemals die Möglichkeit gehabt zu haben, deren Berechtigung überprüfen zu können.
Die Telekom, vertreten durch die Rechtsanwälte Seiler & Kollegen, trug vor, dass aufgrund der bereits verstrichenen Zeit die Vorlage eines Einzelverbindunsgnachweises angeblich nicht mehr möglich sei. Außerdem müsse ein Vertrag nicht vorgelegt werden, denn dieser kam alleine durch die Nutzung der 0900er Servicerufnummern zustande.
Diese Argumente der Telekom überzeugten mich nicht. Ich brachte einen weiteren schwerwiegenden Gegenbeweis ins Spiel: Hätte die Telekom tatsächlich eine Rechnung über insgesamt 987,04 EUR auf die monatliche Alice/O2-Abrechnung meines Mandanten gesetzt, und hätte dieser nicht bezahlt, so hätte Alice/O2 den Festnetz/DSL-Anschluss innerhalb kürzester Zeit gesperrt und gekündigt. Das war jedoch nie der Fall, mein Mandant konnte ohne weiteres seinen Alice/O2-Festnetzanschluss weiternutzen. Damit konnte ich dem Gericht aufzeigen, dass die von der Telekom behaupteten Rechnungen weder Alice noch meinem Mandanten jemals vorlagen. Erst jetzt, vor Gericht, würde mein Mandant erstmalig mit den Telekom-Rechnungen konfrontiert.
Letztendlich schaffte es die Telekom nicht, das Gericht zu überzeugen. Die Beweislage für die Telekom war schlicht und einfach zu dünn. Weder ein Vertrag konnte vorgelegt werden, noch ein Nachweis, dass die 0900-Mehrwertdienst durch meinen Mandanten genutzt wurden. Somit entschied das Amtsgericht Berlin-Mitte in seinem Urteil vom 01.02.2012 (Az. 9 C 143/11) konsequent zugunsten meines Mandanten und wies die Klage der Telekom ab. Mein Mandant muss keinerlei Zahlungen erbringen, weder an die Telekom selbst, noch an die Rechtsanwälte Seiler & Kollegen aus Heidelberg. Stattdessen muss die Telekom nun die gesamten Prozesskosten übernehmen.
Warum ist dieses Urteil gegen die Telekom so wichtig?
Jeder Kunde eines Festnetz- bzw. DSL-Anbieters, der unberechtigte Forderungen über die angebliche Nutzung von Sonderrufnummern, Mehrwertdiensten oder Premiumdiensten erhält, kann sich auf dieses Urteil berufen. Derjenige, der die Forderungen stellt, muss diese zweifelsfrei beweisen können. Lediglich die Vorlage von Rechnungen und die Behauptung, dass die Rufnummern in Anspruch genommen wurden, reicht nicht aus.
Was sagt das Urteil genau?
Im folgenden möchte ich das Urteil des Amtsgericht Berlin-Mitte gegen die Telekom etwas näher besprechen und die wichtigsten Passagen erläutern.
In Bezug auf die Frage, ob zwischen meinem Mandanten und der Telekom überhaupt ein Vertrag geschlossen wurde, schreibt das Gericht in seinem Urteil:
- "Für das Zustandekommen eines solchen Vertrages gelten die allgemeinen Bestimmungen der §§ 145 ff. BGB. Hiernach hat die Klägerin (Telekom) aber schon nichts Substantielles für den angeblichen Beginn, die angebliche Dauer und den vermeintlichen Inhalt der von ihr behaupteten 0900-Verbindungen von dem Festnetzanschluss des Beklagten vorgetragen - und schon gar nicht auf dessen substanziiertes Bestreiten, dass ein solcher Verbindungsaufbau technisch gar nicht möglich gewesen sei wegen der mit seiner Festnetzbetreiberin vereinbarten und auch technisch eingerichteten Sperre zu 0900-Verbindungen. Dies hätte ihr indes ein Leichtes gewesen sein müssen durch die Vorlage eines entsprechenden Einzelverbindungsnachweises der Festnetzbetreiberin des Beklagten, was sie aber nicht getan hat."
Mit diesen Sätzen urteilt das Gericht, dass es für die Telekom nicht ausgereicht hat, lediglich Rechnungen vorzulegen und einen angeblichen Vertrag oder eine angebliche Nutzung der 0900er-Verbindungen zu behaupten. Die Telekom hätte einen Einzelverbindungsnachweis vorlegen müssen, aus dem sich ergibt, zu welcher Zeit der Beklagte welche Zielrufnummern genau angerufen haben soll. Das Gericht teilt mit, dass die Klägerin diesen Beweis sehr leicht hätte erbringen können, indem sie einen Alice/O2-Einzelverbindunsgnachweis vorgelegt hätte. Da aber kein Einzelverbindungsnachweis vorgelegt wurde, geht der Richter davon aus, dass die Nutzung der 0900er Servicenummern nie stattgefunden hat.
Die Telekom trug vor Gericht vor, dass der Beklagte den beiden von ihr ausgestellten Rechnungen nicht widersprochen habe. Das sage laut Telekom aus, dass er die Rechnungen und deren Inhalt akzeptiert hätte. Die Telekom übersieht dabei jedoch, dass mein Mandant diese Rechnungen niemals gesehen hatte. Gegen ihm unbekannte Rechnungen konnte mein Mandant somit nur schwerlich vorgehen. Hierzu schreibt das Gericht in dem Urteil:
- "Des Weiteren verhilft der Klägerin (Telekom) hier auch nicht die Vorschrift des § 45i Absatz 2 Satz 1 TKG zum Erfolg, nach der der Anbieter einer Telekommunikations-Dienstleistung dem Kunden einen solchen Einzelverbindungsnachweis nicht (mehr) schuldet, wenn sein Kunde die entsprechende Rechnung nicht innerhalb von acht Wochen nach Zugang bei ihm beanstandet: Denn das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass dem Beklagten die in Streit stehenden beiden Rechnungen seiner Festnetzbetreiberin zumindest vorgerichtlich zugegangen sind, was zum Nachteil der insoweit beweisbelasteten Klägerin geht."
Der Richter sagt damit aus, dass die Telekom den Zugang der beiden Rechnungen hätte beweisen müssen. Es reicht nicht aus, wenn die Telekom lediglich behauptet, dass der Beklagte die Rechnungen erhalten habe. Hier hätte die Telekom eine deutlichen Zugangsnachweis vorlegen müssen.
Und weiter heißt es in dem Urteil:
- "Der Zugang dieser beiden Rechnungen in Kopie erst mit den Abschriften des Anspruchsbegründungsschriftsatzes der Klägerin genügt aber der Bestimmung des § 45i Absatz 1 Satz 1 TKG nicht, zumal hier zwischen der jeweiligen Rechnungsstellung und der Zustellung der Abschriften des vorerwähnten Schriftsatzes an den Beklagten nach Aktenlage am 16. August 2011 fast drei Jahre vergangen waren und entsprechende Einzelverbindungen von der Festnetzbetreiberin des Beklagten spätestens seit Ende des Jahres 2008 nicht mehr gespeichert werden brauchten, so dass der Beklagte "rückwirkend" gar keine effektive Möglichkeit mehr hatte, sich im Sinne des § 45i Absatz 1 Satz 1 TKG gegen die ihm in Rechnung gestellten 0900-Verbindungen zur Wehr zu setzen."
Das Gericht teilt mit diesen Sätzen mit, dass die Vorlage der beiden Rechnungen erst in der Gerichtsverhandlung viel zu spät sei. Der Beklagte hat keinerlei Möglichkeiten mehr, gegen eine so verspätete Rechnungsvorlage rechtlich vorzugehen. Das Problem ist hier vor allem, dass der Festnetzbetreiber des Beklagten (Alice/O2) nicht verpflichtet ist, einen Einzelverbindungsnachweis über einen so langen Zeitraum zu speichern.
Rechtsanwalt Thomas Hollweck
Verbraucheranwalt in Berlin