Die Kanzlei Hollweck erzielt eine wichtige gerichtliche Entscheidung für alle Handynutzer: Das Urteil legt fest, dass Mobilfunkprovider ihre Kunden vor Kostenfallen warnen müssen!
Der Prepaid-Mobilfunkanbieter SIMPLY (die heutige Drillisch Online AG) hatte meinen Mandanten in zweiter Instanz verklagt, da Simply im vergangenen Jahr vor dem Landgericht Berlin eine Niederlage hinnehmen musste. Nun verlor Simply auch das Berufungsverfahren. Mein Mandant sollte eine Handyrechnungüber 14.727,65 EUR an Simply bezahlen. Das Berufungsgericht gab dem nicht statt, die Berufung wurde heute zurückgewiesen.
Der Anbieter Simply Communication GmbH, gegen den das Urteil gesprochen wurde, ist der heutige Anbieter Drillisch Online AG (unter dem Dach der Drillisch AG). Dieser hat die Marken DiscoTEL, helloMobil, maXXim, McSIM, Sim, Smartmobil, DeutschlandSIM, Yourfone, Phone House, Hello Mobil, DiscoTel, DiscoPlus, DiscoSurf, PhoneX, WinSIM, PremiumSIM, M2M mobi, und natürlich Simply/SimplyTel unter seinem Dach.
Ein Artikel von Rechtsanwalt Thomas Hollweck
Bundesweit tätige Kanzlei für Verbraucherrecht
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Das Urteil erging am 28.06.2012 um 11 Uhr im Kammergericht Berlin: Im Anschluss an die mündliche Verhandlung am Kammergericht Berlin wurde das Urteil gesprochen: Mobilfunk-Anbieter Simply (Drillisch Online AG) darf von meinem Mandanten nicht den sehr hohen Betrag von 14.727,65 EUR für eine angebliche Datennutzung von ca. 750 MB verlangen.
Was war geschehen?
Mein Mandant hatte mit dem Prepaid-Mobilfunkanbieter "Simply Communication GmbH" (der heutigen Drillisch Online AG) einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen. Es handelte sich um einen Prepaid-Vertrag, das heißt, er konnte das Handy immer nur in dem Umfang nutzen, in dem er zuvor das Guthaben aufgeladen hatte. Das Guthaben wurde in Beträgen zu 10,00 EUR aufgeladen.
Im August 2009 erhielt mein Mandant von seinem Anbieter Simply plötzlich eine Rechnung über 14.727,65 EUR. Dies wäre der Betrag, den mein Mandant für die Nutzung von 755,77 Megabyte (MB) bezahlen solle. Angeblich fand vom 08.08.2009 bis zum 09.08.2009 eine Internetnutzung über das Handy statt.
Das konnte aber nicht sein. Mein Mandant nutzte sein Handy nicht für das Internet. Es handelte sich um ein altes Nokia N78, das nicht für eine umfangreiche Internetnutzung ausgelegt ist. Der Bildschirm ist zu klein, als dass damit längere Videos oder andere Nutzungen getätigt werden können. Außerdem sah mein Mandant überhaupt keinen Sinn darin, das kleine Handy für das Surfen im Netz zu benutzen. Hierzu hatte er schließlich seinen hauseigenen DSL-Anschluss. Verständlicherweise legte mein Mandant gegen diese sehr hohe Mobilfunkrechnung Widerspruch ein.
Dennoch forderte Simply weiterhin diesen hohen Rechnungsbetrag ein. Da mein Mandant weder eine so hohe Zahlung leisten konnte, noch wollte, blieb Simply konsequent und verklagte ihn vor dem Landgericht Berlin. Dort verlor Simply (Az. 38 O 350/10, Urteil vom 18.07.2011).
Im Anschluss an diesen verlorenen Prozess legte Simply Berufung ein. Es folgte ein Gerichtsverfahren in zweiter Instanz vor dem Kammergericht Berlin. Am 28.06.2012 erging das wegweisende Urteil: Simply verliert und muss die gesamten Prozesskosten tragen. Mein Mandant muss die überhöhte Prepaidrechnung nicht an Simply zahlen.
Was sagt das Berufungsgericht zu diesem Fall?
Das Kammergericht hat deutlich gemacht, dass es nicht sein darf, dass ein Mobilfunkvertrag den Kunden in die Insolvenz treibt. Wenn ein Handyvertrag so hohe Kostenrisiken birgt, dass der Kunde Rechnungen über tausende von Euro zu erwarten hat, so muss der Mobilfunkanbieter seinen Kunden vorher warnen.
Gibt der Mobilfunkanbieter keine Warnung an seinen Kunden vor Vertragsschluss ab, so verletzt er damit eine vertragliche Nebenpflicht. Denn es darf nicht sein, dass die eine Vertragspartei (Mobilfunkanbieter) die andere Vertragspartei (Kunde) mit offenen Augen in den finanziellen Ruin laufen lässt. Aus der Verletzung einer solchen Nebenpflicht hätte der Kunde einen Anspruch auf Schadensersatz in genau der gleichen Höhe, in der die Rechnung ausfällt. Beide Forderungen gegeneinander aufgerechnet ergeben dann, dass der Mobilfunkanbieter keine Zahlungen von seinem Kunden einfordern darf.
(Kammergericht Berlin, Az. 22 U 207/11, Urteil vom 28.06.2012 - Berufungsverfahren nach Urteil des Landgerichts Berlin vom 18.07.2011, Az. 38 O 350/10)
Welche Auswirkungen hat dieses Urteil auf die Mobilfunkanbieter in Deutschland?
Auf alle Mobilfunkanbieter kommen nun schwere Zeiten zu. Sie müssen eine Lösung finden, mit der sie ihre Kunden vor Vertragsschluss warnen, falls sehr hohe Kosten unbeabsichtigt entstehen können! Das heißt, jeder Mobilfunkanbieter muss bereits vorab Warnhinweise aussprechen, dass der jeweilige Vertrag im Extremfall sehr hohe Kosten verursachen kann. Eine derartige Warnung könnte beispielsweise auf der Homepage eines Mobilfunkanbieters abgedruckt sein, oder im schriftlichen Vertrag in deutlicher gut lesbarer Schrift.
Rechtsanwalt Thomas Hollweck
Verbraucheranwalt in Berlin