Der Berliner Gasversorger GASAG hat eine Kundin wegen eines angeblichen Gasverbrauchs von 1 Kubikmeter vor Gericht verklagt, anschließend die Klage aber wieder zurückgenommen
Meine Mandantin zog in eine neue Wohnung ein und ließ von Anfang an ihren Gasherd abbauen, da sie das Kochen auf einem Elektroherd bevorzugte. Weitere Gasverbrauchsgeräte hatte sie nicht, der Gasanschluss wurde nie benutzt. Dennoch behauptete die GASAG, dass ein Verbrauch von einem(!) Kubikmeter Gas stattgefunden habe. Obwohl die Kundin beweisen konnte, dass sie tatsächlich nie Gas genutzt hatte, zog die GASAG vor Gericht. Während des Prozesses am Amtsgericht Pankow/Weißensee musste die GASAG schließlich erkennen, dass ihre Klage erfolglos wäre, und zog dieselbe zurück. Damit hatte die GASAG-Kundin den Rechtsstreit gewonnen.
Artikel von Rechtsanwalt Thomas Hollweck
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Was war geschehen? Im Oktober 2006 zog meine Mandantin in eine Wohnung in Berlin-Zehlendorf. In dieser Wohnung war ein Gasanschluss inkl. Zähler vorhanden, der ausschließlich für den Betrieb des vom Vermieter bereitgestellten Gasherdes gedacht war. Da meine Mandantin einen Elektroherd betreiben wollte, hatte sie von Anfang an den Gasanschluss mittels des dafür vorgesehenen Hebels zugedreht, der Zähler blieb so wie er war in der Wohnung, der Gasherd wurde im Keller deponiert. Ende August 2008 ließ meine Mandantin den Gaszähler ausbauen. Zwar störte dieser grundsätzlich nicht, jedoch wollte sie die Wohnung renovieren und eine neue Verkleidung anbringen, so dass der Gaszähler schließlich doch im Weg war. Die gesamte Zeit über war der Gashahn zugedreht.
Im Oktober 2009 zog meine Mandantin wieder aus, ein Post-Nachsendeauftrag wurde an die Adresse der neuen Wohnung eingerichtet. Sie hatte nie Kontakt mit der GASAG, sie hatte nie einen Vertrag, eine Rechnung oder eine Mahnung erhalten.
Erst im September 2011 erhielt meine Mandantin ein seltsames Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei Karsten Reichelt aus Borkheide bei Berlin. Der Anwalt machte darin Forderungen der GASAG in Höhe von insgesamt ca. 160 Euro geltend. Dieser Betrag käme durch die Abrechnung von erbrachten GASAG-Leistungen, Mahngebühren, Ermittlungskosten usw. zustande. Laut Rechtsanwalt Karsten Reichelt habe meine Mandantin angeblich im Mai 2011 eine Rechnung der GASAG erhalten, also ca. 1,5 Jahre nach dem Auszug aus der Wohnung in Zehlendorf.
Meine Mandantin setzte sich mit der Kanzlei Reichelt in Borkheide in Verbindung und versuchte die Angelegenheit zu klären. Sie schilderte genau, was vorgefallen war, und dass sie aufgrund der Umstände niemals Gas bei der GASAG verbraucht haben könne. Zudem bat sie Rechtsanwalt Karsten Reichelt um einen Nachweis der Forderung, also um die entsprechenden Dokumente, welche die Forderung der GASAG begründeten.
Ende September 2011 erhielt meine Mandantin eine erneute Zahlungsaufforderung der GASAG, übermittelt durch die Kanzlei Karsten Reichelt, mit der Androhung gerichtlicher Maßnahmen sowie eine Kopie der „berichtigten GASAG-Schlussrechnung“ vom 05.05.2011 über rund 95 Euro und eine Aufschlüsselung der Kosten, adressiert an die alte Adresse in Berlin-Zehlendorf.
Aus der Aufschlüsselung ging hervor, dass zwischen „Vertragsbeginn“ am 01.01.2007 und Ausbau des Zählers am 28.08.2008 1 Kubikmeter Gas verbraucht wurde. Hierfür beliefen sich die Kosten auf 72 Cent. Für den gesamten Zeitraum wurde ein Grundpreis von 48 Euro von der GASAG berechnet.
Erneut teilte meine Mandantin der Kanzlei Karsten Reichelt mit, dass sie keinerlei Vertrag mit der GASAG eingegangen war und in ihrer Wohnung nie Gas verbraucht hätte. Zudem bat sie Rechtsanwalt Reichelt um Stellungnahme, warum die GASAG erst knapp drei Jahre nach dem Ausbau des Zählers feststellte, dass es ein offenbar nicht beglichenes Konto gab und warum sie bis dahin nie über dieses Konto informiert worden war.
Wäre die vermeintliche GASAG-Kundin informiert worden, so hätte sie viel früher reagieren können, die Einschaltung eines Rechtsanwalts und die Androhung von gerichtlichen Maßnahmen wären überhaupt nicht notwendig gewesen.
Die Antwort der Kanzlei Karsten Reichelt nahm Bezug auf die Gasgrundversorgungsverordnung und klärte die angebliche GASAG-Kundin darüber auf, dass durch die Entnahme von Gas ein Grundversorgungsvertrag zustande gekommen wäre. Meine Mandantin war sich zwar darüber im Klaren, dass auf diese Weise Verträge zustande kommen können, jedoch hatte sie wie dargestellt niemals Gas der GASAG entnommen.
Die Kanzlei Hollweck wird eingeschaltet
Um sich gegen die Forderung der GASAG zu wehren schaltete die vermeintliche GASAG-Kundin die Kanzlei Hollweck ein. Ich überprüfte den Sachverhalt und stellte sofort fest, dass die Forderung der GASAG unberechtigt sein musste. Da meine Mandantin von Anfang an den Gashahn mit dem dafür vorgesehenen Hebel abgestellt hatte, den Herd ausbauen ließ und niemals in irgend einer Weise in der Wohnung Gas verbraucht hatte, konnte kein faktischer Vertrag mit der GASAG zustande gekommen sein.
Zudem war es nicht rechtmäßig, meiner Mandantin angebliche Verzugskosten aufzuerlegen. Dadurch, dass sie nie eine Rechnung der GASAG erhielt, hatte die GASAG kein Recht, ihr die Kosten für Verzugszinsen, Anwaltsgebühren etc. aufzuerlegen.
Ich legte umgehend einen schriftlichen Widerspruch gegen die fehlerhafte Forderung der GASAG ein und teilte Rechtsanwalt Karsten Reichelt mit, dass meine Mandantin die GASAG-Rechnung nicht bezahlen werde. Ich bat Herrn RA Reichelt um eine Überprüfung des gesamten Vorgangs und um Rücksprache mit der GASAG. Meine Vermutung war, dass es sich evtl. nur um ein Versehen bzw. um einen Rechnungsfehler handelte. Immerhin wurde hier lediglich der Verbrauch von nur einem(!) Kubikmeter Gas geltend gemacht. Es konnte nicht sein, dass die GASAG wegen einer so geringen Verbrauchsmenge einen Rechtsanwalt einschaltete.
Der GASAG-Rechnung wird anwaltlich widersprochen
Ich teilte der Kanzlei Reichelt mit, dass der Gasanschluss meiner Mandantin lediglich dazu angebracht war, um den in der Küche befindlichen Gasherd mit Gas zu versorgen. Da meine Mandantin jedoch ausschließlich mit Elektroherden kocht, ließ sie von Anfang an den in der Küche befindlichen Gasherd ausbauen und stattdessen einen Elektroherd aufstellen. Den Gasanschluss drehte sie gleich zu Beginn vollständig zu. Es war zu vermuten, dass es sich bei dem angeblichen Gasverbrauch von einem Kubikmeter lediglich um einen Ablesefehler des Zählers handelte, oder um ein Zählernachlaufen nach Beendigung des Mietverhältnisses mit dem vorherigen Mieter. Zu erkennen war das daran, dass die GASAG in der Rechnung nur den Mindestverbrauch abgerechnet hatte, so dass der tatsächliche Gasverbrauch vermutlich noch weit unter dem Wert von einem Kubikmeter liegen dürfte.
Die Sache geht vor das Amtsgericht Berlin-Pankow/Weißensee
Trotz dieser Argumentation wollte die GASAG nicht auf die Bezahlung ihrer Rechnung verzichten und erhob mit Klageschriftsatz vom 18.05.2012 Klage am zuständigen Amtsgericht Berlin-Pankow/Weißensee. Die Klageforderung belief sich nur auf 105,68 Euro. Vor Gericht wurde die GASAG ebenfalls von Rechtsanwalt Karsten Reichelt vertreten.
Die GASAG berief sich vor Gericht erneut darauf, dass aufgrund der Grundversorgungsverordnung ein wirksamer Gasversorgungsvertrag abgeschlossen wurde. Daher müsse die Beklagte die Gasrechnung bezahlen, selbst wenn sich diese lediglich auf einen Verbrauch von einem Kubikmeter beschränkt.
Ich hielt dagegen und erklärte dem Gericht, dass kein Gasverbrauch stattgefunden hat, so dass auch kein faktischer angeblicher Gasversorgungsvertrag nach der Grundversorgungsverordnung zustande hätte kommen können. Die Gasrechnung ist unberechtigt, da nie ein Gasverbrauch stattgefunden hat. Meine Mandantin konnte als Zeugen ihren Lebensgefährten aufführen, mit dessen Hilfe sie den Gasherd ausgebaut hatte.
Zudem stellte ich dar, dass meine Mandantin nie eine Rechnung erhielt. Die Gasrechnung erreichte die Beklagte erst 1,5 Jahre nach dem Auszug aus der Wohnung, und selbst dann nur über den Rechtsanwalt Reichelt. Es kann nicht sein, dass eine Gaskundin eine Gasrechnung nur über den Anwalt erhält, und dann auch noch dessen Gebühr etc. bezahlen soll.
Ich machte dem Gericht deutlich, dass die GASAG den angeblichen Verbrauch viel früher hätte bemerken können. In Zeiten, in denen eine Wohnung leer steht, erhält zumindest der Vermieter regelmäßig die Rechnung für die Grundgebühr des Gasanschlusses, und eine jährliche Ablesung findet statt. Zieht ein neuer Mieter in die Wohnung ein, so hätte die GASAG spätestens im Zuge der jährlichen Zählerablesung bemerken müssen, dass die Wohnung wieder bewohnt ist und ein sehr geringer Gasverbrauch stattgefunden hat. Spätestens nach dieser jährlichen Zählerablesung hätte die GASAG der Beklagten die Rechnung zuschicken können.
Die durch Rechtsanwalt Karsten Reichelt vertretene GASAG legte dem Gericht schließlich das Protokoll der Zählerabnahme vom 28.08.2008 vor. Dieses Protokoll ließ die GASAG erstellen, als der Zähler meiner Mandantin ausgebaut wurde. Nun kam das kuriose: Auf diesem Zählerausbauprotokoll vermerkte die Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg als „letzten Zählerstand“ 587 Kubikmeter, und als „Abnahmestand“ 584 Kubikmeter. Der Abnahmestand war der Zählerstand zu dem Zeitpunkt, als der Gaszähler ausgebaut wurde. Das bedeutete, der Zählerstand zum Zeitpunkt des Ausbaus war sogar um drei Kubikmeter geringer als der letzte bei der Netzgesellschaft bzw. bei der GASAG registrierte Zählerstand. Das nahm der GASAG jede weitere Argumentationsmöglichkeit, sie hatte ein Eigentor geschossen.
Dementsprechend abweisend reagierte das Gericht in der mündlichen Verhandlung. Der Richter bemängelte, dass der von der GASAG behauptete Verbrauch von einem Kubikmeter anhand des Ausbauprotokolls überhaupt nicht nachweisbar war. Laut diesem Protokoll hätte meine Mandantin der GASAG sogar drei Kubikmeter Gas der GASAG zurückgeschickt, was technisch natürlich nicht möglich ist.
Die GASAG gibt auf und nimmt die Klage zurück
Es wurde deutlich, dass die von der GASAG vorgelegte Rechnung vollständig fehlerhaft und nicht nachvollziehbar war. Der Richter empfahl der GASAG, die Klage zurückzunehmen, da sie keine Chance auf einen erfolgreichen Ausgang des Verfahrens hatte. Dem kam die GASAG nach. Mit Schreiben vom 06.11.2012 teilte Rechtsanwalt Karsten Reichelt für die GASAG mit, dass diese die Klage zurücknimmt. Mit Beschluss vom 08.11.2012 beendete das Amtsgericht das Verfahren offiziell. Damit hatte meine Mandantin das Verfahren gewonnen, die GASAG gab auf, und musste die gesamten Prozesskosten bezahlen.
Was kann generell bei fehlerhaften Gasrechnungen getan werden?
Sollten auch Sie eine fehlerhafte unberechtigte Rechnung der GASAG erhalten haben, so nehmen Sie diese bitte nicht hin, sondern gehen dagegen vor und legen Widerspruch ein. Offensichtlich falsche Gasrechnungen müssen nicht von Ihnen bezahlt werden. Teilen Sie der GASAG schriftlich per Einschreiben mit Rückschein mit, warum die Rechnung in Ihren Augen fehlerhaft ist, und bitten Sie die GASAG um Stellungnahme bzw. Korrektur. Damit haben Sie den ersten wichtigen Schritt unternommen.
Rechtsanwalt Thomas Hollweck
Verbraucheranwalt in Berlin