Die Kanzlei Hollweck aus Berlin verhindert, dass eine EWE TEL-Kundin 7.742,40 Euro für die Internetnutzung auf ihrem Handy bezahlen muss, obwohl(!) sie eine Internet-Flatrate gebucht hatte.
Die EWE TEL GmbH aus Oldenburg hatte meiner Mandantin einen Mobilfunkvertrag im Vodafone-Netz verkauft. Meine Mandantin buchte eine mobile Internet-Flatrate mit der Bezeichnung „VF live! Internet Flat“ zum Preis von monatlich 9,95 Euro hinzu. Trotz dieser Flatrate verlangte EWE TEL plötzlich einmal 6.294,24 Euro und einmal 1.828,16 Euro von der Kundin. Nach anwaltlichem Einschreiten erteilte EWE TEL aus Kulanz eine Gutschrift von zusammen 7.742,40 Euro. Dennoch forderte EWE TEL weiterhin den Restbetrag von 380 Euro für eine Internetnutzung, die monatlich nur knapp zehn Euro kosten dürfe. Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg entschied in seinem Urteil vom 03.07.2013 (Az. 221 C 35/13), dass die EWE TEL-Kundin diese Kosten nicht bezahlen müsse.
Wie konnte es geschehen, dass die EWE TEL GmbH 7.742,40 Euro für die Internetnutzung auf einem Handy berechnete?
Meine Mandantin schloss im Rahmen ihres EWE TEL-Mobilfunkvertrages die Option „VF live! Internet Flat“ ab, um mit ihrem Handy das Internet unbegrenzt nutzen zu können. Sie ging davon aus, dass die Flatrate das sei, was man als normaler Kunde unter einer „Flatrate“ eben verstehe, die Nutzung des mobilen Internets, ohne an die Kosten denken zu müssen. Wie alle anderen Mobilfunkkunden auch, vermutete sie, dass sie außer den Flatrate-Kosten von 9,95 Euro im Monat keine weiteren Internetgebühren bezahlen müsse.
Umso größer war der Schock, als sie plötzlich eine Handyrechnung von vielen tausend Euro in den Händen hielt. Sie konnte sich nicht erklären, wie trotz der Flatrate derart immens hohe mobile Internetkosten entstehen konnten.
Sie schaltete die Kanzlei Hollweck ein und bat mich, die Angelegenheit mit EWE TEL zu klären. Ich schrieb das Unternehmen an und verdeutlichte, dass solche überhöhten Kosten nicht hätten entstehen dürfen. Meine Mandantin hatte eine Internet-Flatrate für ihr Handy gebucht, so dass maximal die vertraglich vereinbarten 9,95 Euro pro Monat für die mobile Internetnutzung hätten berechnet werden dürfen.
EWE TEL erteilt Gutschrift über 7.742,40 Euro, fordert aber weiterhin einen Restbetrag von 380 Euro, ohne diesen Rest näher zu begründen.
Dank meiner Intervention gewährte die EWE TEL GmbH meiner Mandantin eine Gutschrift von insgesamt 7.742,40 Euro, forderte aber weiterhin den Restbetrag von 380 Euro. Eine Begründung, warum keine vollständige Stornierung der Internetkosten vorgenommen wurde, blieb die EWE TEL GmbH schuldig.
Meine Mandantin sah sich im Recht und wollte diesen Restbetrag nicht an die EWE TEL GmbH bezahlen. Aus verständlichen Gründen, denn 380 Euro sind im Vergleich zu den vereinbarten 9,95 Euro immer noch ein zu hoher Betrag. Wir hielten dementsprechend den Widerspruch gegen die noch verbleibende Mobilfunkrechnung aufrecht. Meine Mandantin zahlte konsequent nur die berechtigten Mobilfunkgebühren, verweigerte aber die Zahlung der 380 Euro.
EWE TEL kündigt den Handyvertrag
EWE TEL war mit dieser Zahlungsverweigerung anscheinend nicht einverstanden, obwohl sie dem geltenden Recht entsprach, und erklärte daraufhin die Kündigung des Mobilfunkvertrages. Das Mobilfunkunternehmen begründete das damit, dass die offene Rechnung zur außerordentlichen Kündigung berechtigen würde. Gleichzeitig verlangte die EWE TEL GmbH einen Schadensersatz für die Restlaufzeit des Mobilfunkvertrages. Auch dieser Forderung wurde widersprochen, denn meine Mandantin hatte alle berechtigten und vertraglich vereinbarten Forderungen vollständig und regelmäßig bezahlt. EWE TEL stellte sich damit konsequent gegen das sich aus dem TKG (Telekommunikationsgesetz) ergebende Recht des Kunden, unberechtigte Forderungen auf der Handyrechnung widersprechen zu dürfen. Ist eine Forderung erst einmal widersprochen, so darf weder eine Anschlusssperrung, noch eine Kündigung ergehen.
Der Fall geht vor Gericht
Obwohl der EWE TEL GmbH die Gründe für den Forderungswiderspruch bekannt waren, entschied sich das Mobilfunkunternehmen, die Angelegenheit vor Gericht zu klären. Insgesamt wollte das Unternehmen 926,49 Euro von seiner Kundin einklagen.
Vor Gericht trug EWE TEL, vertreten durch die Rechtsanwälte Bolte & Ahlrichs aus Oldenburg, vor, dass meine Mandantin angeblich eine falsche Einstellung an ihrem Handy vorgenommen hatte. Die von ihr gebuchte Flatrate im Vodafone-Netz „VF live! Internet Flat“ würde lediglich einen Zugriff auf das Vodafone-interne „WAP“-Netz erlauben. Das seien Vodafone-eigene Internetseiten, und nur diese können über die gebuchte Flatrate genutzt werden.
Stellt ein Kunde sein Mobiltelefon auf Nutzung des „normalen“ Internet ein, also auf die normalen Web-Dienste des World Wide Web, so würde die Vodafone-Flatrate nicht greifen. In einem solchen Fall würden die hier in Rechnung gestellten Beträge anfallen. Die Kundin müsse diese tausende von Euros bezahlen.
Was genau meinte die EWE TEL GmbH damit? Gibt es zwei verschiedene Internet-Systeme?
EWE TEL sprach hiermit vor Gericht ein grundsätzliches Vodafone-Problem an: Vodafone verkauft seinen Kunden tatsächlich zwei verschiedene Internet-Flatrates für zwei unterschiedliche "Internet-Systeme" bzw. Internet-Zugangspunkte:
Das erste ist das WAP-System. „WAP“ steht für „Wireless Application Protocol“ und stammt noch aus der Urzeit des mobilen Internets. Damals waren die Handys nicht in der Lage, das „normale“ Internet abzubilden, es mussten spezielle Webseiten für Mobilfunkgeräte programmiert werden. Dieser waren sehr simpel aufgebaut, und nur in geringer Zahl vorhanden. Vodafone verkauft nun eine Flatrate, die es erlaubt, nur solche WAP-Internetseiten kostenlos aufzurufen. Hierzu muss der Kunde sein Handy auf den Dienst „wap.vodafone.de“ einstellen. Nur in diesem Fall greift die Vodafone-Internetflatrate, und der Kunde kann für 9,95 Euro im Monat mobil surfen.
Das zweite ist das ganz normale Internet. Moderne Handys bzw. Smartphones können das Internet problemlos darstellen. Um dieses Internet mit einem Vodafone-Vertrag nutzen zu können, muss der Kunde sein Handy auf „web.vodafone.de“ einstellen. Nun kommt aber das Problem: Stellt der Kunde sein Handy derart ein, dass er das normale Internet nutzen kann (was sicherlich alle Kunden auch möchten), so GREIFT DIE VODAFONE-FLATRATE NICHT! Der Kunde, der über die Flatrate „VF live! Internet Flat“ das normale Internet mobil nutzt, gerät in die Gefahr, dass sein Internetsurfen Kosten in Höhe von vielen tausend Euro hervorruft.
Das darf natürlich nicht sein. Hier läuft der Mobilfunkkunde Gefahr, durch die Internetnutzung in die private Insolvenz zu geraten. Besteht im Rahmen eines Mobilfunkvertrages die Gefahr, dass genau so etwas passieren kann, so ist der Anbieter dazu verpflichtet, einen großen und deutlichen Hinweis auf diese zwei Einstellmöglichkeiten zu geben.
EWE TEL versteckt Hinweis im Kleingedruckten
Interessanterweise hatte die EWE TEL GmbH diesen Hinweis im Kleingedruckten versteckt, konkret in „Fußnote 2 auf Seite 5“ eines „Informationsdokuments Nr 512“. Diese sehr wichtige Information, die dem Kunden Kosten von mehreren tausend Euro ersparen kann, wurde in eine kleine Fußnote abgedruckt.
Der Warnhinweis dort lautet:
„Die Vodafone live! InternetFlat gilt nur für das Surfen im deutschen Vodafone-Netz auf http-basierten Internet-Seiten und nur für von Vodafone zertifizierte Clients jeweils über den APN wap.vodafone.de.“
Dieser Hinweis ist zu versteckt, um von einem normalen Vodafone- bzw. EWE TEL-Kunden entdeckt zu werden. Meines Erachtens ist in einem solchen Fall ein großer und deutlicher Hinweis erforderlich.
Beispielsweise wäre ein solcher Hinweis nötig gewesen:
Achtung! Wichtiger Hinweis!
Bitte stellen Sie den Internetzugang in Ihrem Mobiltelefon unbedingt auf "wap.vodafone.de" ein. Nur dann kommt die Flatrate zur Anwendung.
Nutzen Sie bitte in keinem Fall den Zugangspunkt "web.vodafone.de", sonst entstehen Ihnen Kosten in Höhe von mehreren tausend Euro, wenn Sie das Internet benutzen!
Bitte unbedingt beachten!
Tatsächlich war der von Vodafone bzw. EWE TEL gemachte Hinweis wesentlich kleiner und unscheinbarer in einer Textwüste versteckt.
EWE TEL bestritt vor Gericht, dass ein solcher Hinweis nötig sei, denn inzwischen wisse jeder Kunde, dass es verschiedene Internet-Systeme gäbe, und dass ein Handy auf das richtige einzustellen sei.
Ich hielt dagegen und machte deutlich, dass kaum ein normaler Nutzer davon ausgeht, dass EWE TEL bzw. Vodafone verschiedene Internet-Systeme abrechne. Der normale Mobilfunkkunde geht davon aus, dass mit einer Internet-Flatrate auch das Internet abgedeckt sei, und nicht nur ein völlig veralteter Teilbereich davon.
Die Entscheidung des Gerichts ergeht zu 90% gegen EWE TEL
Das Gericht sah das ähnlich und entschied, dass meine Mandantin den noch offenen Rest der Internetkosten nicht bezahlen müsse (Urteil Amtsgericht Charlottenburg, Az. 221 C 35/13, vom 03.07.2013).
Eine Zahlungspflicht für durch „web.vodafone.de“ zustande gekommene Verbindungen lehnte das Gericht mit dem Hinweis ab, dass diese nicht vertraglicher Bestandteil wurde: „Soweit der Anspruch auf eine Zahlungspflicht für die in der Rechnung ausgewiesenen 48 Vodafone Web Verbindungen gestützt wird, ist er bereits nicht entstanden. Der Vertrag, insbesondere Fußnote 2 auf Seite 5 des Informationsdokuments Nr. 512 bietet dafür keine Anspruchsgrundlage. (…) Denn der Inhalt des Informationsdokuments genügt den Anforderungen an eine vertraglich vereinbarte Vergütungspflicht für die Vodafone Web Verbindungen nicht. Aus der Fußnote 2 auf Seite 5 des Informationsdokuments ergibt sich lediglich, dass die Vodafone live! Internet Flat nur für von Vodafone zertifizierte Clients jeweils über den APN wap.vodafone.de gelten soll. Ein expliziter Hinweis, dass die Verwendung des APN web.vodafone.de weitere Kosten auslöst und auf welcher Grundlage diese berechnet werden, ergibt sich aus dem Informationsdokument jedoch gerade nicht. Eine solche ausdrückliche Klarstellung und konkrete Aufzeigung der drohenden Kosten wäre jedoch gem. § 305c Abs. 2 BGB geboten gewesen, denn es ist Sache des Verwenders, sich klar und unmissverständlich auszudrücken (…).“
Ebenso wies das Gericht die Schadensersatzforderung für den gekündigten Mobilfunkvertrag zurück. Das Gericht geht davon aus, dass die außerordentliche Kündigung des Handyvertrags zu Unrecht erfolgte. Demzufolge dürfe die EWE TEL GmbH keine Forderungen für die Restlaufzeit an die Kundin stellen.
So schreibt das Gericht in seinem Urteil: „Die Klägerin kann von der Beklagten keine Zahlung von 241,03 Euro wegen der mit Schreiben vom 02.02.2012 erklärten fristlosen Kündigung zum 29.02.2012 verlangen. Sie hat keinen Anspruch auf Ersatz eines Ausfallschadens aus Ziff. 13.5 der AGB oder § 628 Abs. 2 BGB, denn die fristlose Kündigung war unwirksam. Zum Zeitpunkt der Kündigung befand sich die Beklagte allein in Verzug mit der noch ausstehenden Restzahlung aus der Rechnung von Januar 2011. Dieser Verzug rechtfertigt nicht eine fristlose Kündigung im Februar 2012. Sie ist entgegen § 626 Abs. 2 BGB nicht unverzüglich erfolgt.“
Von den ursprünglich durch die EWE TEL GmbH eingeklagten 926,49 Euro muss meine Mandantin nun lediglich 96,47 Euro bezahlen. Dieser verbleibende Restbetrag resultiert daraus, dass meine Mandantin versehentlich bestimmte berechtigte Rechnungsbeträge nicht bezahlt hatte, stellte also eine berechtigte Teilforderung der EWE TEL GmbH dar.
Damit erhält die EWE TEL GmbH lediglich zehn Prozent der ursprünglichen Klageforderung und muss die gesamten Prozesskosten zu 90 Prozent bezahlen. Für meine Mandantin hat sich der von der EWE TEL GmbH initiierte Prozess somit gelohnt, denn statt den noch bestehenden ca. 900 Euro muss sie nun lediglich ca. 90 Euro an das Mobilfunkunternehmen begleichen.
Für wen ist dieses Urteil wichtig?
Das Urteil zeigt auf, dass nicht jeder vom Anbieter behaupteter Vertragsbestandteil auch tatsächlich auf der Telefonrechnung abgerechnet werden darf. Kosten dürfen nur dann in Rechnung gestellt werden, wenn die Gebühren deutlich im Vertrag vereinbart wurden. Ein versteckter Hinweis in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ("AGBs" bzw. "das Kleingedruckte") genügt nicht, vor allem wenn dieser Hinweis unklar formuliert ist.
Sollten Ihnen Ihr Mobilfunkanbieter eine bestimmte Leistung in Rechnung stellen, für die Sie keine vertragliche Vereinbarung erkennen können, so sollten Sie Ihrer Handyrechnung unter Hinweis auf dieses Urteil widersprechen. Das gilt natürlich vor allem für unberechtigt geltend gemachte Internetkosten. Ihr Mobilfunkanbieter muss alle Leistungen, die er abrechnet, klar und deutlich in seinem Vertrag gekennzeichnet haben. Für Sie als Kunden muss sowohl die Leistung, als auch der Preis, gut erkennbar sein.
Das Urteil ist aber auch dann von Bedeutung, wenn Ihr Mobilfunkanbieter den Vertrag durch eine vorzeitige Kündigung beendet hat und Schadensersatz für die Restlaufzeit des Vertrags fordert. Das Gericht geht in dem vorliegenden Urteil davon aus, dass nach dem Dienstvertragsrecht die Kündigung unverzüglich innerhalb von zwei Wochen erfolgen muss, nachdem der Mobilfunkanbieter von dem Zahlungsrückstand erfahren hat. Geschieht keine zeitnahe Kündigung, sondern wartet der Anbieter Wochen oder Monate ab, so ist die Kündigung unberechtigt. Der Kunde hat in diesem Fall keine Schadensersatzzahlung an den Mobilfunkanbieter zu leisten.
Rechtsanwalt Thomas Hollweck
Verbraucheranwalt in Berlin